„Hinter dem Vorhang“

Eigenartig über so vieles zum Thema Tod habe ich in den letzten Jahren nach Tobias Tod was geschrieben. Vieles nur für mich, aber auch vieles für meine Website www.stillgeboren.de , die ich für andere Betroffene Eltern gemacht habe. Aber zu dem Thema, wie ich mir die Zukunft nach dem Tod vorstelle, nicht.

Das liegt vielleicht daran, dass ich mir gar keine so plastischen Vorstellungen gemacht habe, wie es Tobias jetzt geht. Ich schreibe regelmäßig in einem Forum für betroffene Eltern. Dort ist das natürlich immer mal wieder Thema. So schrieb eine Mutter:

 

„Irgendwie glaube ich das Jannis bei meinem Bruder und meinem Opa ist, sie sich gut um ihn kümmern. Ihm Geschichten von uns erzählen und auf uns aufpassen. Und wenn eines Tages meine Lebensuhr abgelaufen ist, dann komme ich auch dahin. An einem warmen, hellen Ort. Der eine friedliche Atmosphäre ausstrahlt und ich erkenne alle drei gleich wieder. Und wir werden uns erzählen, wie wir die Zeit erlebt haben und zusammen auf die Menschen aufpassen, die noch auf der Welt leben.“

 

Da ich an ein Leben nach dem Tode glaube, ist für mich natürlich ganz klar, dass Tobias bei Gott ist und das ist etwas wunderbares. Gott ist für mich Liebe. Ganz wundervolle, klare und pure Liebe. Also muss es ihm dort gut gehen. Das ist für mich keine Frage. Doch wie es dort genau aussieht, darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht.

Ein sehr tröstlicher Gedanke war gerade kurz nach dem Tod die Vorstellung, dass mein Vater, der 9 Jahre zuvor gestorben war, Tobias dort in Empfang genommen hat, in sozusagen begleitet. Es tat gut mir vorzustellen, dass Tobias, das Liebste was ich hatte, bei meinem Vater ist.

 

Kurz nach dem Tod von Tobias habe ich versucht, meine Trauer dadurch zu bewältigen, dass ich meinen Schmerz, meine Gefühle und alles was mich bewegte, aufschrieb. Und zwar nicht einfach so, sondern ich schrieb Tobias Briefe und später auch Gedichte. In meiner Vorstellung schrieb ich natürlich nicht an einen Säugling einen Brief, sondern an einen reifen erwachsenen Menschen. Ich glaube nicht, dass es hinter dem Vorhang noch ein Alter gibt, d.h. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Alte bzw. das es irgendeine Bedeutung hat. Ich stelle mir vor: Allein mit dem Eintritt des Todes wird dieser Unterschied beseitigt.

 

 

Ein stilles Lächeln
auf Deinem friedlichen Gesicht
sagt mir
sei nicht traurig
Wurde er Dir erfüllt
der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
der Wunsch verschont zu bleiben
doch ich darf nicht mit Dir gehen
muß zurückbleiben
alleine
hoffe daß ich aus der Sintflut und Finsternis
immer wieder stets heiler und stärker
entlassen werde
damit ich irgendwann
die Taube erkenne
wenn sie mir den Zweig vom Ölbaum bringt
15.02.1998

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