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„Mama, glaubst du an Gott?“

Sonntag, Juli 13th, 2008

Da von anderen die Frage nach Gott immer mal wieder gestellt wird, beschäftigt mich dies Thema in regelmäßigen Abständen. Anfang Dezember 2005 wurde mal wieder danach im Muschel-Forum http://www.muschel.net/ gefragt.

Meine Antwort: „RE: Mama, glaubst du an Gott?“

Liebe Anja,

nur zu gut kann ich verstehen, daß Du den Glauben an Gott nach dem Tod Deiner Jessica in Frage stellst. Auch ich erinnere mich, als ich aus dem Krankenhaus kam, mit leerem Bauch und leeren Armen, da dachte ich:“nein, dies kann mein Glaube nicht aushalten.“ und das machte mir Angst, denn ich wußte, ohne Gott würde ich es nicht schaffen, diesen Weg zu gehen. Ich habe in den nächsten Wochen und Monaten über meine Beziehung zu Gott nachgedacht, nächtelang gegrübelt. Eines stellte ich aber sehr schnell fest, ich hatte keine Zweifel, daß es einen Gott gibt, mir war nur unklar, wie ich mit diesem Gott nach Tobias Tod in eine Beziehung treten kann.

Zunächst war ich wütend auf ihn, womit habe ich das verdient, warum hat er mir das angetan, warum hat er das zugelassen. Als ich länger darüber nachdachte, schämte ich mich dafür, nicht dafür, daß ich wütend auf Gott war, ich glaube, das hält er ganz gut aus und würde es auch verstehe. Nein, denn ich wußte, jeden Tag sterben Kinder, zum Teil unter unvorstellbaren Qualen, und dies berührte meine Beziehung zu Gott nie wirklich, sondern erst, als ich es meinen Sohn traf. Dafür schämte ich mich.

Nein, natürlich ist Gott nicht für dieses Leid verantwortlich, das ja meistens durch Menschenhand geschieht. Er wird es selber am meisten hassen und mit den Menschen leiden, bei ihnen sein. Aber die anderen Fragen, womit habe ich das verdient und warum läßt er es denn zu, gingen weiter in meinem Kopf herum. Da merkte ich, daß dies doch gar nicht mit meinem Gottesbild vom liebenden Vater übereinstimmt. Glaubte ich wirklich an einen strafenden Gott, der irgendwelche Übertretungen bestraft. Nein, das ging gar nicht…

Aber die letzte Frage, war und ist immer noch am schwierigsten: Warum läßt er das Leid zu? Ich habe lange darüber gegrübelt und für mich keine wirklich befriedigende Antwort gefunden. Natürlich, was wäre das für ein Leben, wenn Gott alle unser Handlungen vorgeben würde, anders könnte er wohl alles Leid der Erde nicht verhindern. Doch wirklich verstehen tue ich es nicht. Aber ich habe begriffen, daß es etwas gibt, das ich niemals verstehen werden und es dennoch akzeptieren muß. Diese Erkenntnis hat etwas gedauert und war sehr schmerzlich.

Heute heißt für mich, an Gott zu glauben, auf Gott zu vertrauen, auf einen liebenden Gott, der zusammen mit mir weint, mich nicht alleine läßt.

Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht mit meinem langen Posting zugetextet, aber Deine Frage, obwohl sie immer mal wieder im Forum gestellt wird, hat mich nicht losgelassen und ich merkte, daß ich auf einmal meine Entwicklung der Beziehung zu Gott, besser als früher beschreiben konnte. Wenn Dich noch mehr zu dem Thema interessiert. Ich habe auf meiner Website ein Themenseiten zum Glauben, dort sind auch andere Postings, viele Texte und auch ein Mitschrift eines Glaubensseminars zu dem Thema Gottesbild veröffentlicht, was mich sehr beeindruckt hat.

Ursprünglich geschrieben Dezember 2005

Ich vertraue Gott

Sonntag, Juli 13th, 2008

G eborgenheit in Deiner Hand mein Gott
L
iebe gist du bedingungslos
A
nnehmen tust du mich so wie ich bin
U
rvertrauen ist ganz tief in mir
B und
an den mich der Regenbogen erinnert
E nergie die niemals versigt

Gleich nachdem ich aus dem Krankenhaus kam, bin ich in mein Zimmer gegangen, habe mir das Vornamensbuch genommen und erst einmal nachgeguckt, was der Name Tobias bedeutet. Kai hatte den Namen Tobias ausgesucht und einfach beschlossen, daߠes ein Junge wirst und Tobias heißt. Ich merkte sehr schnell, daß ich mit ein wenig Glück noch einen zweiten Namen aussuchen dürfte, aber gegen Tobias nichts hätte machen können. Im Kreissaal fragte ich ihn dann auch nur ganz kurz, ob es denn jetzt auch bei Tobias bleibe. Er nickte nur stumm. Als ich dann im Vornamensbuch las: Tobias, hebr. von tobijahu = gut (ist) Jahwe (Gott), hat mich das beeindruckt und ich war froh, daß wir uns auf Tobias geeinigt hatten. Ich wußte zwar, daß Tobias eine Figur aus der Bibel war, doch ich hatte nie weiter darüber nachgedacht. Merkwürdig, daß ich nicht früher nachgeguckt habe, wo ich doch in dem Buch so viel herumgeblättert hatte. In der Woche, nach der ich Tobias geboren hatte, und in der es mir so gut ging, die so unwirklich war, hatte ich eine unbestimmte Angst. Die Angst, meinen Glauben, der mich bisher durch mein Leben begleitet hat und der mir für vieles so viel Kraft gegeben hatte, zu verlieren. Ich dachte nur, daß was mir passiert ist, werde ich niemals fassen können. Mein Glauben muß daran einfach zerbrechen. Ich versuchte in der Bibel zu lesen, was ich vorher ab und zu ganz gerne gemacht habe, aber ich fand nichts tröstliches und nichts was mich ansprach. Da fand ich auf einmal das kleine Buch, daß wir von unserem Pastor zur Hochzeit bekommen hatten. Ich schlug es auf und der folgende Spruch sprach mich sofort an:


“Es ist gut zu spüren, du da ist eine Hand, die dich hält.
Es ist gut zu spüren, du bist nicht alleine mit deinem Leben.
Es ist gut zu spüren, wenn keine Menschenhand mich mehr hält, bleibe ich geborgen in deiner Hand mein Gott.”

Als ich den ersten Tag im Büro war, habe ich den letzten Satz gleich als Bildschirmschoner eingegeben, der immer auftauchte, wenn ich kurze Zeit pausierte. Bis heute begleitet er mich durch den Tag.

Ich  erinnere  mich noch daran, es muß wenige Monate nach Tobias Tod gewesen sein, als ich mal wieder weinend mit dem Auto fuhr. Ich sehe sie genau vor mir ,die Kurve. Ich dachte nicht viel, sondern gab einfach Vollgas. Was soll’s. Doch kurz vor der Kurve bremste ich und fuhr ganz langsam herum. Weinend blieb ich dann am Straßenrand stehe. Als ich wieder aufschaute, da sah ich ihn, den Regenbogen. Ich schämte mich so, da ich sofort an den Bibeltext denken mußte: “Der Bogen über den Wolken ist das Zeichen des Bundes zwischen mir und den Menschen” Aber seitdem fahre ich ganz vorsichtig gefahren.

Auch wenn mir so vieles verloren gegangen ist, tatsächlich ist mir mein Glaube nicht verloren gegangen, sondern hat diese Zeit nicht nur unbeschadet überstanden, sondern ist auch gestärkt daraus hervor gegangen. Ich weiß nicht was für einen Sinn Tobias Tod für mich haben soll. Sicher, für mich hat sich vieles danach geändert, ich habe vieles von ihm geschenkt bekommen, aber ob das der Sinn war? Nein, ich kann es nicht glauben, weil für mich der Schmerz viel zu groß ist. Doch ich weiß heute, alles hat einen Sinn, auch dann, wenn wir ihn nicht erkennen. Ich vertraue Gott, daß auch dieses nicht einfach so geschehen ist. Vielleicht müssen wir nicht immer in allem einen Sinn sehen, vielleicht verstehen wir es einfach auch nicht, weil es über unsere Vorstellung geht. Aber vielleicht reicht es schon einfach aus, ihm zu vertrauen. Dabei fällt mir die Geschichte von Abraham ein, der sich solange nach einem Sohn gesehnt hat und Isaak dann selbst als Opfer für Gott töten sollte. In der Bibel steht, daß der Engel ihn anrief: “Tu ihm nicht zu leide, ich weiß jetzt, daß Du Gott fürchtest”. Doch so wie die Geschichte erzählt wurde, spüren ich keine Furcht Abrahams vor Gott. Er tut alles mit einer Selbstverständlichkeit, einer Gelassenheit, keine Spur von Angst. Spüren tut man nur sein vollkommenes Vertrauen in Gott. Wenn er verlangt, daß Abraham ihm das liebste auf der Welt gibt, was er hat, dann wird es einen Sinn haben, auch wenn er ihn nicht versteht. Um dieses vollkommene Vertrauen beneide ich Abraham unendlich.

Ursprünglich geschrieben August 1998