Da von anderen die Frage nach Gott immer mal wieder gestellt wird, beschäftigt mich dies Thema in regelmäßigen Abständen. Anfang Dezember 2005 wurde mal wieder danach im Muschel-Forum http://www.muschel.net/ gefragt.
Meine Antwort: „RE: Mama, glaubst du an Gott?“
Liebe Anja,
nur zu gut kann ich verstehen, daß Du den Glauben an Gott nach dem Tod Deiner Jessica in Frage stellst. Auch ich erinnere mich, als ich aus dem Krankenhaus kam, mit leerem Bauch und leeren Armen, da dachte ich:nein, dies kann mein Glaube nicht aushalten. und das machte mir Angst, denn ich wußte, ohne Gott würde ich es nicht schaffen, diesen Weg zu gehen. Ich habe in den nächsten Wochen und Monaten über meine Beziehung zu Gott nachgedacht, nächtelang gegrübelt. Eines stellte ich aber sehr schnell fest, ich hatte keine Zweifel, daß es einen Gott gibt, mir war nur unklar, wie ich mit diesem Gott nach Tobias Tod in eine Beziehung treten kann.
Zunächst war ich wütend auf ihn, womit habe ich das verdient, warum hat er mir das angetan, warum hat er das zugelassen. Als ich länger darüber nachdachte, schämte ich mich dafür, nicht dafür, daß ich wütend auf Gott war, ich glaube, das hält er ganz gut aus und würde es auch verstehe. Nein, denn ich wußte, jeden Tag sterben Kinder, zum Teil unter unvorstellbaren Qualen, und dies berührte meine Beziehung zu Gott nie wirklich, sondern erst, als ich es meinen Sohn traf. Dafür schämte ich mich.
Nein, natürlich ist Gott nicht für dieses Leid verantwortlich, das ja meistens durch Menschenhand geschieht. Er wird es selber am meisten hassen und mit den Menschen leiden, bei ihnen sein. Aber die anderen Fragen, womit habe ich das verdient und warum läßt er es denn zu, gingen weiter in meinem Kopf herum. Da merkte ich, daß dies doch gar nicht mit meinem Gottesbild vom liebenden Vater übereinstimmt. Glaubte ich wirklich an einen strafenden Gott, der irgendwelche Übertretungen bestraft. Nein, das ging gar nicht…
Aber die letzte Frage, war und ist immer noch am schwierigsten: Warum läßt er das Leid zu? Ich habe lange darüber gegrübelt und für mich keine wirklich befriedigende Antwort gefunden. Natürlich, was wäre das für ein Leben, wenn Gott alle unser Handlungen vorgeben würde, anders könnte er wohl alles Leid der Erde nicht verhindern. Doch wirklich verstehen tue ich es nicht. Aber ich habe begriffen, daß es etwas gibt, das ich niemals verstehen werden und es dennoch akzeptieren muß. Diese Erkenntnis hat etwas gedauert und war sehr schmerzlich.
Heute heißt für mich, an Gott zu glauben, auf Gott zu vertrauen, auf einen liebenden Gott, der zusammen mit mir weint, mich nicht alleine läßt.
Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht mit meinem langen Posting zugetextet, aber Deine Frage, obwohl sie immer mal wieder im Forum gestellt wird, hat mich nicht losgelassen und ich merkte, daß ich auf einmal meine Entwicklung der Beziehung zu Gott, besser als früher beschreiben konnte. Wenn Dich noch mehr zu dem Thema interessiert. Ich habe auf meiner Website ein Themenseiten zum Glauben, dort sind auch andere Postings, viele Texte und auch ein Mitschrift eines Glaubensseminars zu dem Thema Gottesbild veröffentlicht, was mich sehr beeindruckt hat.
Ursprünglich geschrieben Dezember 2005